Die deutsche Sprache ist eine schwierige Sprache, und unsere Gesetzesgeber – oder deren Referenten haben ihre Schwierigkeiten, mit ihr umzugehen – oder nutzen sie, um Verwirrung zu stiften.
Da gibt es demnächst ein “Leistungsschutzrecht für Verlage”, wahrscheinlich.
Das “…ausschließliche Recht … , Presseerzeugnisse zu gewerblichen Zwecken im Internet öffentlich zugänglich zu machen”, sollen künftig die Presseverlage haben.
Wer selbst “gewerbliche Zwecke” hat, muss die Finger von allem, was auch nur nach Verlag riecht, lassen, oder aber zahlen:
Verwendet ein Blogger zu seinem Hobby-Blog Fachartikel aus einschlägigen Presserzeugnissen und blendet er zur Refinanzierung seiner Unkosten Werbebanner oder den Bezahl-Button eines Micropaymentdienstes ein, dann handelt er zu gewerblichen Zwecken und muss eine Lizenz erwerben. (Quelle, S. 11)
Das könnte die Lust am Bloggen vermiesen. Für ein Blog mit dem Thema Gesundheit liegt es ja nahe, etwa die Ärzte-Zeitung zu verfolgen.
Beispiel:
Ich habe irgendwo gehört,, dass es einen Zusammenhang zwischen Akne und Ernährung gibt. Nichts Neues, aber es hat – vermutlich in Korea – eine Studie gegeben.
Früher hätte ich noch recherchiert, wo etwas über die Studie zu finden ist und die Quelle kurz verlinkt, gegebenenfalls ein kurzes Zitat hinzugefügt, um den Sachverhalt zu bekräftigen.Mit Leistungsschutzrecht lasse ich das lieber, denn gleichzeitig wäre nach einer Lizenz anzufragen, oder ein Jahr zu warten.
(“(2) Das Recht erlischt ein Jahr nach der Veröffentlichung des Presse-erzeugnisses.”)
Die schwammigen Erläuterungen (hier: S. 9) ergänzen den Verleger-Schutz aber noch hinsichtlich “mittelbarer und unmittelbar” Nutzung:
“… ein umfassendes Verbotsrecht wird im Übrigen nur insoweit gewährt, als das Presseerzeugnis – sei es unmittelbar oder mittelbar – zu gewerblichen Zwecken öffentlich zugänglich gemacht wird.”
Was mittelbar gewerbliche Zwecke, was unmittelbar/unmittelbar öffentlich machen bedeutet, was der Satz überhaupt bedeutet, was sich worauf bezieht – jeder Deutschlehrer müsste diesen Satz als “ungenügend” bewerten, weil nicht klar wird, was gemeint ist. Diese Unklarheit kann nur Absicht sein, Einschüchterung und Abschreckung von Bloggern, die in Angst und Schrecken versetzt werden:
Denn ein Verlag wird nicht einfach einen Brief schicken: “Wir verbieten Ihnen, uns zu zitieren”, sondern einen ‘Anwalt’ bemühen, der die Un-Kosten (tja, dieses Wort gibt es ja eigentlich gar nicht, sondern Kosten; Un-Kosten wären Kosten, die es nicht gibt) irgendwie auf den Blogger überträgt.
Internet-Blogs gebe es in zahlreichen Varianten:
Wenn ein Blog sich als eine redaktionell ausgewählte Sammlung journalistischer Beiträge darstellt, die fortlaufend unter einem Titel erscheint, wird auch ein Blogger durch das neue Leistungsschutzrecht geschützt und ist damit vergütungsberechtigt, wenn andere seinen Blog nutzen.
Natürlich wird ein Blog unter einem Titel erscheinen und auch fortlaufende Beiträge enthalten. Wenn “Journalist” und Redaktion das Gleiche sind, gibt es aber keine redaktionelle Auswahl. Die angebliche Vergütungsberechtigung führt nur dazu, dass Blogger untereinander noch misstrauischer werden, als sie schon längst sind.
Das (neue) Ausschließlichkeitsrecht des Presseverlegers stellt faktisch einen Maulkorb dar. Wer Bloggen als Hobby betreibt, soll noch mit dem Erwerb von Lizenzen sich beschäftigen. Was hierbei faire Preise wären, und ob nicht schon der Backlink eine Art Vergütung darstellt, wird nicht erwähnt. Unsere Gesetzesmacher haben andere Sorgen und können sich in die Sorgen eines Bloggers nicht hineinversetzen – oder sie können es und wollen diese Sorgen noch verstärken oder den Spass am Bloggen verhindern,
Letztlich sehe ich hier auch eine Behinderung der Meinungsfreiheit, denn um mir eine Meinung zu bilden, bin ich auf aktuelle Informationen angewiesen und muss auch benennen, woher ich welche Information habe.
Oder ich mache gar nichts, auch nicht meine Meinung, zugänglich, um irgendwelche Verleger, die dem Gemeinwohl verpflichtet sind, zu schützen?
Update: Vielleicht ist ja auch ein wenig Hysterie im Spiel – weil der Sinn und Zweck der Sache die Blogger natürlich verunsichern muss. In einer Diskussion auf netzpolitik.org meinte arndt beitat:
Wo lest ihr eigentlich die Forderung “kein Zitatrecht”? Im Entwurf steht: “Presseverlage können somit auch die Unterlassung unerlaubter Nutzungen verlangen und gewerbliche Nutzer müssen für die Nutzung Lizenzen erwerben. *Dies gilt nicht für die reine Verlinkung und Nutzungen im Rahmen der Zitierfreiheit.*” Ich vermag das Problem nicht zu erkennen.
Bei Spiegel-online gab es ein kleines Frage-Antwort-Spiel:
Bekomme ich Ärger, wenn ich auf SPIEGEL ONLINE verlinke?
Nein. Sie können auch in Zukunft mit Überschrift und Textanriss auf SPIEGEL ONLINE verlinken. Und natürlich können Sie aus unseren Artikeln zitieren. Wir freuen uns darüber! Was wir allerdings wie schon bisher nicht erlauben, sind Kopien kompletter Texte oder wesentlicher Textpassagen.
Gilt das auch, wenn ich Google-Anzeigen in meinem Blog habe?
Auch dann.
Dumm, dass “wesentliche Textpassagen” gerade das interessante sind. Sagt – laut Nachrichtenmeldung – ein Abgeordneter im Parlament: “Sie sind – mit Verlaub – ein Arschloch, Herr Präsident”, so wäre doch gerade dieses Zitat die wesentliche Textpassage. Gemeint war wohl: “Unverhältnismäßig lange” Textpassagen.
Das “Zitaterecht “ hat auch seine Tücken; bloßes Zitieren ist “unfein”, das Zitat muss schon in einem gewissen Zusammenhang zu einem eigenen Artikel stehen, aber das ist ein anderes Thema.
“Muss ich Ärger befürchten, wenn …” – das ist eine Frage, die auf Angst und Stress beim Bloggen hindeutet. Vielleicht sollte man Online-Artikel nach einem Ampel-Modell kennzeichnen, so dass klar erkenntlich wird, unter welcher Lizenz der jeweilige Artikel steht.
Pingback: Abnehmen-Diät-Gesundheit » hin oder her mit der Fleischsteuer?
Pingback: Demokratie zwischen 2.05 und 2.45 Uhr – Das “Leistungsschutzrecht” | sketchnet
Pingback: LSR – Arbeitsbeschaffung für Abmahn-Anwälte? | sketchnet