Eine besondere Schwierigkeit der Psychoanalyse

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Es heißt ja, gegen alles sei ein Kraut gewachsen, so dass auch bei psychischen Leiden Hilfe und Therapie möglich sein sollte. allerdings gibt es auch

14.6  Besondere Schwierigkeiten

Je stärker die Neurose, desto grösser kann sich einerseits das Krankheits-, andererseits das Leidensbedürfnis zeigen.

Das Krankheitsbedürfnis entspringt dem ubw Wunsch, Schuldgefühle abzuwehren. Das erklärt die gelegentlichen Spontanheilungen nach Unglücksfällen. Für die Psychoanalyse ist dies indessen eine oft kaum zu überwindende Klippe, denn der Analysand ist im Tiefsten der Überzeugung, dass er eigentlich das Gesundwerden gar nicht verdient und sich darum mit seinem neurotischen Leiden stets selbst bestrafen muss. Hier hilft nur eine langwierige Auseinandersetzung mit den Ursachen der Schuldgefühle.

Wesentlich schwerwiegender ist das Leidensbedürfnis. Es ist der unmittelbare Ausdruck des Destruktionstriebes (Todestriebes) und äussert sich als Trieb zur Selbstzerstörung. Freud spricht in jenen Fällen, in denen sich der Todestrieb gewissermassen verselbständigt und nicht mehr durch den Eros in einem gewissen Gleichgewicht gehalten wird, von Triebentmischung. Wenn jemand vom ubw Drang beseelt ist, sich selber zu zerstören, so stösst zumeist auch die Psychoanalyse an ihre Grenzen. (Quelle)

Vielleicht ließe sich beim “Krankheitsbedürfnis” ja noch mit dem “Leidensgewinn” argumentieren, aber hier scheint dochetwas anderes gemeint zu sein.
Eine “Urschuld” soll es ja auch geben, und das Gefühl, nicht gewollt (gewesen) zu sein. Vielleicht lässt sich da gar keine Ursachenforschung betreiben, sondern lediglich konstatieren, dass es “dunkle Stellen”, Ungewissheiten gibt, die es nun einmal gibt, im Übrigen aber die Zeit vergeht, ob sie Wunden heilt oder auch nicht, und dass es wohl doch einen gesunden Lebenswillen gibt, wenn auch nicht unbedingt ein allzu freundliches Umfeld, das jedenfalls hinter der Fassade stets seine Macken und Beschränktheit hat.

Das Leidensbedürfnis als originäres Bedürfnis zu verstehen, fällt schwer. Der “Trieb zur Selbstzerstörung” ist zwar eine Erklärung, allerdings können die entsprechenden Symptome auch z.B. auf Identifikationen zurückgeführt werden, bei Rauchern zum Beispiel.

Vom Heilkraut, das es  für die “Krankheit Liebe” (hier verursacht durch einen Pfeil, mit dem Amor den Gott der Heilkunst, Apoll getroffen hat:

Als er bemerkt, dass alle seine Argumente die Nymphe nicht überzeugt haben, stellt er, in elegischer Klage fest, dass wohl kein Kraut gegen die Liebe gewachsen ist und seine Heilküste, die sonst allen nutzen, ihm selbst gar nichts bringen:
ei mihi, quod nullis amor est sanabilis herbis,
nec prosunt domino, quae prosunt omnibus, artes! (523/524)
(Quelle)

Analog zur Wirkung des verliebt machenden Pfeils ist die Wirkung der Liebeskunst:

Auf eine härtere Probe stellt ihn [Odysseus] das Abenteuer mit Kirke, der Zauberin und Göttin. Das »treffliche Kraut« des Gottes Hermes ist zwar ein wirksames Gegengift gegen Zauberkraut und Zauberstab Kirkes, gegen ihre Liebeskunst hingegen scheint kein Kraut gewachsen zu sein. Kirke lädt ihn ein, sich mit ihr »in Lager und Liebe« zu vereinen, nachdem Zauberkraut und Zauberstab bei ihm versagten. Odysseus läßt sich auf das Liebesabenteuer ein – aus Treue zu seinen Gefährten. Nur dann gibt Kirke den in Schweine Verwandelten menschliche Gestalt und ihr Erinnerungsvermögen zurück. Diese jedoch fragen sich danach, warum Odysseus ein ganzes Jahr lang bei Kirke bleibt. (Quelle)

Die Bedürfnisse, zu lieben und geliebt zu werden sind vielleicht relevanter als Krankheits- und Leidensbedürfnisse, wenn auch ähnlich “unheilbar”,  also echter Einsicht (un-) zugänglich.



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