Demokratie zwischen 2.05 und 2.45 Uhr – Das “Leistungsschutzrecht”

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Ein Zeichen von gesundem Menschenverstand ist es keineswegs, wenn unsere Volksvertreter mitten in der Nacht Dinge bereden wollen, die unsere Demokratie, die Meinungsfreiheit nämlich, regeln wollen.

Das “Leistungsschutzrecht” wird zum langwierigen Verfahren:

Die erste Lesung findet in der Nacht von Donnerstag auf Freitag statt. Angesetzt für Tagesordnungspunkt 19 ist aktuell die Zeit zwischen 2.05 und 2.45 Uhr am Freitagmorgen. Danach wird der Gesetzentwurf in einen Ausschuss zur weiteren Bearbeitung überwiesen und kehrt dann für die zweite und dritte Lesung ins Plenum zurück.

“Leistungsschutz” hatten die Väter unseres Grundgesetzes noch gar nicht gekannt. Ein Urheberrecht hat ihnen gereicht. Mit dem – von unseren Verlegern angestoßenen “Leistungsschutzrecht” ist zunächst einmal Verunsicherung verbunden:

Soweit ich das mitbekommen habe, dürfen ohne Erlaubnis nicht einmal kleinste Passagen eines Textes (z.B. auch eine PR-Meldung!) kopiert werden. Hat man sich vorher keine Erlaubnis eingeholt, besteht durchaus die reelle Gefahr von Abmahnanwälten überrannt zu werden.

Was hat das dann noch mit grundehrlicher, seriöser Recherche zu tun, wenn man zum “Beweis” oder “Untermauerung” von Tatsachen keine Zitate ohne Erlaubnis verwenden darf und im schlimmsten Fall sogar mit einer Abmahnung rechnen zu müssen, obwohl man defacto nichts falsches geschrieben hat?

Nun war auch die

Empörung bei prominenten Bloggern

rein sachlich nicht so ganz gerechtfertigt, sorgte aber für einen Sturm im Wasserglas:

Der Entwurf berge “tatsächlich – wider Erwarten – eine unübersehbar große Gefahr für Blogger und für jeden Nutzer von Facebook, Twitter, Xing und Co.”, schreibt Journalist und Blogger Thomas Knüwer am Dienstag (19.06.2012) bei indiskretionehrensache.de . “Ja, er [der Entwurf, Anm.d.Red.] ist so neben der Spur, dass manche vermuten er sei das letzte Auflehnen von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger.” Auch Blogger Sascha Lobo machte seinem Ärger in einem Tweet vom Freitag (15.06.2012) Luft: “Geschäftsidee: 1) Verlag gründen. 2) Per Software alle denkbaren Vierwortkombinationen ins Netz stellen. 3) Andere Verlage abmahnen. #LSR”

Inzwischen lesen wir bei der Tagesschau:

Blogger ausgenommen

Blogger liefen Sturm gegen den ersten Entwurf des Gesetzes. In ersten Entwürfen aus dem Justizministerium war auch davon die Rede, dass etwa Blogger, die journalistische Texte zitieren oder auf sie verlinken, künftig Lizenzgebühren zahlen müssen. Dies ist in dem neuen Entwurf nicht mehr vorgesehen, nachdem es daran massive Kritik gegeben hatte.

Wenn das mal wahr ist! Immerhin wurde da irgendwie auch zwischen Freizeitbloggern und journalistischen Bloggern und Bloggern mit Verdiesntabsichten unterschieden, wo es nichts klar zu unterscheiden gibt: Wischi-Waschi im Gesetzentwurf und keine nachvollziehbare Aussage.

Gleichzeitig gibt es neue Abmahnwellen, die die wenigsten Blogger in ihrer Bedeutung einschätzen können und weniger für die Durchsetzung geltenden Rechts sorgen als für klingende Kassen, so der überwiegende Tenor. Sicher befinden sich auch Blogger im Irrtum, wenn sie meinen, ein herrenloses Bild könnte man ja mal mitnehmen, aber es hat offenbar auch Abmahnungen für korrektes Zitieren gegeben – das geht aber gar nicht, denkt man, und dann geht es doch.

Die Leistung des Bloggers wird nicht geschütrzt, sondern behindert, so scheint es.

Vielleicht schützt so ein Hinweis im Impressum?

Besteht eine Verletzung, wird diese umgehend beseitigt.

Für eine anwaltliche Rüge der Verletzung fremder Rechte fehlt es aufgrund dieser Zusage an einem entsprechenden Rechtschutzbedürfnis.

Im Artikel “Kann mal wer meine Leistung schützen” hatte ich einige der Unwägbarkeiten dieses Gesetzentwurfes, der nun mittten in der Nacht “belabert” werden wird, angesprochen. Der Hintergrund, dass Google Milliarden aus dem deutschen Markt ziehen kann und unsere Verleger darben, genauer:  Unsere Zeitungen sterben – ist ein anderes Thema.

Die Grundfrage wäre eine andere, wäre: Wie sichern wir den (Fortbestand des) Qualitätsjournalismus, wenn es da noch etwas zu sichern gibt; wie schafft es eine Gesellschaft, diese Spezialisten für Faktenund Zusammenhänge zu finanzieren?

 

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