Den liebreizend gesäuselten Schlachtruf “#Allesdichtmachen“, mit dem eine Horde Video-Clip-bewaffneter Eliteschauspieler die deutschen Lande virtuell beschallt, müssten wir uns nur noch selbst vorstellen, und schon wäre der Einstieg in eine neue Gattung des Horrorfilms geschafft.
Mit dem 23. April 2021 begann die Gewinnung von Aufmerksamkeit “für Punkte, die jeder von uns hat”, so der Tatort-kriminalistisch geschulte Leichensezierer Lievers, begann leise für die, die sich im Internet bewegen, denn irgendwo musste man an diesem “schwarzen Freitag” auf die Serie von Kurz-Videos stoßen, die zusammengenommen doch eine geballte Stunde Sendezeit vereinnahmen.
Ich dachte daran, einen ähnlichen Beitrag zu erstellen und notierte versuchsweise:
Promis, kurzer Auftritt. Hier: Erwin Lindemann
Gestatten, Lindemann, Erwin. Beruf: Schauspieler. Mein Ziel: Maximale Verwirrung mttels Schwurbeltext.
Die Situation überzeichnen, so dass Zuschauer innen sich fragen müssen, was denn an dem Gefühl der Sinnlosigkeit, das wir vermitteln, dran ist, denn es muss ja etwas Wahres dran sein, wenn 50+ “Promis” professionell geriebenen Parmesan streuen.
Uns geht es übrigens gut, wir leben von Ihren Gebühren.
Mit unserer Beliebtheit betreiben die Fadenzieher Mind-control, Gehirnwäsche – und selbst, wenn Sie das bezweifeln, sind Sie bereits infiziert, denn es könnte sein, und solange Sie sich wundern, ärgern, aufregen, verstanden fühlen oder verletzt, überlegen, ob nicht doch etwas Wahres dran ist an unseren Ansprachen, kommen Sie nicht auf Gedanken, die bewirken, dass Sie sich organisieren und die Welt verbessern:
Dass gestern der “Tag der Mutter Erde” war, vergessen Sie wie ich und KollegInnen auch.
Zugegeben: Wie sind #allenichtganzdicht, doch mit #allesdichtmachen und #lockdownfürimmer kommen wir in die Charts und gestalten die Situation destabilisiert, polarisiert, gespalten, wir wiegeln auf unter der anpassungsfähigen Charaktermaske der Schaupieler – alles nur gepielt, geträumt, bar bezahlt, an der Steuer vorbei.
Von wem – so etwas brutalstmöglich aufzuklären, wird immer nur erklärt, unterliegt dabei der Diskretion, da ist #allesabgeschirmt.
Mit hundert koordinierten Anti-Schwurbel-Clips könnte man, könnten “fortschrittliche Kräfte” bei entsprechendem Einsatz und ordentlicher Suchmaschinenoptimierung sicherlich ähnlich erfolgreich das “social media-Feld” beackern – doch da gibt es immer noch die archaischgen Probleme und Hemmnisse.
Auch die tragen zu manchem Unbehagen bei, neben der allerdings kontraproduktiven Bemächtigung und Fehldeutung des Themas:
Die Parole vom mutigen Aufstand freier, in der Meinungsäußerung unbeschnittener Schaupielerinnen und Schauspieler, und mieser Bösewichte, die vermutlich noch dazu Einsperrgesetze erlassen (und bei nächster Gelegenheit den Lebensmitteleinzekauf nur getesteten Kunden erlauben?) ist nur der Anreißer im großformatigsten Blatt der Republik. Den “Blick in die Zeitung” kann ich hier nicht bieten, also einfach hier weiterlesen!
Bei der subjektiven Bewertung der Angelegenheit kam ich zum Folgenden:
@JanJosefLiefers
Missbraucht die im “Tatort” erspielte Popularität. um mit einer Spieler-Meute eine Regierung, die nicht mit göttlicher Weisheit ausgestattet ist und versucht, bestenfalls das Notwendige zu tun, zu verunglimpfen und das Volk noch mehr zu verunsichern.
Es gehe auch um die freigesetzten freien Künstler, die weniger Unterstützung als pausierende Frisöre bekämen.
Zusatzinformationen gibt es auch:
“Urheber des Videoprojekts ist der Münchner Filmemacher Bernd K. Wunder, der hinter dem Videoprojekt steckt …”.
Vielleicht ist die Aussage, dass der Urheber hinter dem Projekt steckt ja eine Fehlleistung – was hier “Urheber” überhaupt und genau bedeuten soll, bleibt damit unklar.
Jedenfalls: Der/die Urheber/in ist hinter dem Projekt zu finden, das ist groß genug, dass sich dahinter auch mehrere Personen, Institutionen und Interessen verstecken können.
“Auch Dietrich Brüggemann zählt laut “Deutschlandfunk” zu den Mitinitiatoren der Video-Kampagne, war als Regisseur und Drehbuchautor beteiligt.”
Die Frage, wie und womit jetzt wiederum Brüggemanns Dienstleistung gezahlt wurde, wird unter den Teppich gekehrt.
Die Promis, die sich an Drehbücher zu halten hatten, sollten dabei offenbar den Eindruck einer persönlichen Reflektion und Meinungsäußerung erwecken, und das haben sie auch leidlich überzeugend gespielt – “Darsteller” haben sie ja gelernt.
Die Affaire ist Wikipedia wichtig genug gewesen, sie gleich im Universallexikon zu verewigen: “In einem Interview mit dem Deutschlandfunk sprach Brüggemann von einer “Medienblase”, die sich dem Diskurs über die Kolateralschäden während der Corona-Zeit verweigere und warf den Kritikern der Aktion vor, einen Shitstorm gestartet zu haben.”
Das könnte im Umkehrschluss bedeuten, dass der Deutschlandfunk nicht zu den blasenartig aufgeblähten Kollateralschadens-Diskurs-Verweigerern gehört, doch ist das Thema heikel und die Medienblase als Merkmal der Journalist-innenzunft anatomisch wenig erforscht.
Wo es um Niere und Blase geht, ist der Darm nicht weit, und so erfahren wir, dass ein Shitstorm, so der Regisseur im DLF, diese Form annehmen kann:
“Man wird beschimpft in einem Vokabular, das zynisch und menschenverachtend ist. Wenn hier überhaupt jemand rechts ist, dann ist dieser Shitstorm faschistoid.”
Man könnte natürlich auch versuchen, wirklich faschistoide Elemente der konzertierten Schauspielerei, bei der die Beteiligten keine weiteren Bindungen unteeinander zu haben scheinen, herauszuarbeiten
- da wäre die Gehorsamsbereitschaft, das Befolgen eines fremden Drehbuchs zu nennen, was als Kriterium natürlich nicht ausreichend ist.
Ohnehin kann man das Wörtchen “faschistoid” recht häufig verwenden, wenn damit “an Grund-Elemente des Faschismus erinnernd” gemeint ist, und dadurch unschöne Erinnerungen, meist aus zweiter und dritter Hand, geweckt werden. Ungetrübte Propaganda ist ja auch so ein Grundelement (ein “fundamentaler Bestandteil”) des Faschismus.
Brav wie ein guter Schüler im Home-schooling saß Liefers gestern länger als jener vor der Laptop-Cam, perfide war unter anderem die Aussage, er vermisse “die Medientransparenz” während seine eigene Aktion völlig untransparent bleibt.
Vielleicht hat dieser “Gedankenanstoß” die Spaltung der Gesellschaft erweitert und die “Verhärtung der Fronten” verstärktt. Natürlich soll man Kritik äußern können, in der Summe hat die Wucht der Promi-Auftritte einfach nur Öl ins Feuer gegossen. Außer einem mehr stammelnden als erklärenden Vorzeige-mit-Dichtmacher war keine(r) zum Gespräch oder gar Dialog bereit.
Bei #allesdichtmachen hat es viele Reaktionen auf Ironie, Zynismus und Sarkasmus gegeben, und die Resonanz ist nicht ganz so schwarz-weiß ausgefallen wie der Initialton.
Es hat sich bewahrheitet, dass Satire, Ironie und Zynismus in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung heikle Instrumente sind.
Wer dem Verstand nicht zu trauen wagt, sucht ihn zu verdächtigen. Die Gefühls-Menschen.
Nietzsche, Fragmente 2, 29 [40]
Und auch:
Ironie—Lüge über das was man weiss, als ob man es nicht wüsste.
Wer für diesen ironisch-zynischen “#Aufschrei” zuständig ist, müsste in einem ordentlichen Krimi beantwortet werden. Wer den SchauspielerInnen-Aufstand, das Ironie-Festival organisiert hat, wer die Strippenzieher sind, bleibt hier unbeantwortet.
“Wer die Idee zu der Kampagne hatte, ist noch unklar. Im Impressum der zugehörigen Internetseite steht ein Mann, der das Coronavirus schon vor Monaten mit dem Grippevirus gleichsetzte”, so der Tagesspiegel.
Die zentrale Internetseite ist schon nicht mehr online. Seriös geht anders.
Als “so schäbig, dass es weh tut” empfinden die einen #allesdichtmachen, Zustimmung kommt von rechtsaußen: “Gefeiert wird die Aktion dagegen von Querdenkern, Rechtsextremisten und anderen Verschwörungsgläubigen. Hans-Georg Maaßen ist begeistert. Nein, dafür können die beteiligten Schauspieler:innen nichts. Aber es könnte ihnen zu denken geben.”
Das muss ihnen zu denken geben:
Für so ganz unschuldig hat sich noch nicht einmal Manfred Krug gehalten, doch Gute-Laune-mit-Promis ist in der Gummibärchenwerbung immer noch unverzichtbar – die nächste Promi-Kampagne machen wir dann mit tausend Künstlern, die (für) die Tempeh-Herstellung demonstrieren .
Nachtrag:
Der “Knabe” präsentiert sich mit dem Abbild des Psychoanalyse-Urvaters auf Brust und Bauch – sehnt sich vielleicht nach einem Übervater, den er gleichzeitig durch den Kakao zieht, während der ihn schmückt. Vielleicht ist hier ja auch ein Angebot codiert – aber nein, das wäre abwegig.
Der “Sinn” des Ganzen bleibt unerfindlich, wenn der Klient “Widerstand leistet”, nicht mitarbeitet.
Die Politsche Analyse (oder intuitiv-politische Analyse) ergibt:
Angesichts nachgewiesener Verbindungen zu “Querdenken”
“erweist sich #allesdichtmachen als Paradestück für das Einsickern rechter Inhalte in die Breite mit Hilfe prominenter Multiplikator*innen.”
Die Bandbreite möglicher rechter Imhalte ist groß – zumal die Äußerungen der Schauspieler*innen bewusst nebulös - uneindeutig formuliert sind. Die Tendenz geht über das “schlicht chaotische” hinaus, ist negativ, und auch mehr als “normal verdrossen”. In unserem Medienkrimi ohne Leiche, aber mit Meinung, Verleumdung und Provokation gibt es offenbar nicht “den Täter”, sondern Tendenzen. Man könnte sagen, hier habe “der Narzissmus” zugeschlagen – das “gerichtsfest” nachzuweisen wird die Mühe nicht wert sein.
Ulrike Folkerts
“bekennt” zu #allesdichtmachen: “Ich war naiv”. Normal ist das ja nicht, dass Naivität sich über Nacht wieder legt – doch nun gilt es, eine Autobiographie zu vermarkten, und so ein “Geständnis” ghört dazu, bevor es, wie gewohnt, weiter im Text geht.
Ein Auszug aus ihrem Text im inzwischen zurückgezogenen Video:
“Ich unterstütze die Corona-Maßnahmen, weil ich das Meer liebe.
Und weil ich das Meer liebe, will ich mehr. Mehr Maßnahmen.
Nur mit mehr Maßnahmen komme ich wieder ans Meer.”
Inhaltlich ist das ja nichts – formal nur viertklassiges Wortspiel um den Zusammenhang von “Meer” und “mehr”, dem die Zuschauer*innen sich trotz aller Abgeschmacktheit nicht entziehen können; die Schlussfolgerung “Also bringen weitere “Maßnahmen” auch nichts” ist nicht ausgeschlossen. Was dazu passt – die gespielte Kommissarin wird 60 – müsste ein entsprechendes Gedicht sein:
Und zwischen Reim und Drehen der Worte
Versteckt sich List diverser Sorte.
Vortrefflich unauffälliglich.
Geburtstagskind – wir lieben dich.
Im Interview mit Bayern 1 erklärte sie rückblickend: “Ich fand die Texte nicht komisch, ich habe da ein bisschen damit gehadert, wurde dann aber ein bisschen auch so überredet und war naiv genug zu glauben, dass ich in diesem Portfolio von Leuten gut aufgehoben bin.”
Das macht schon zwei Bisschen Hader – das ist reichlich, Zwist, Aufbegehren, Zweifel; reichlich, aber trotzdem nur ein Anfang.
“Ulrike Folkerts wird zur Querdenkerin” – das kann ich nicht beurteilen, doch so, wie “Querdenken” als Verhöhnung der Regierung betrieben wird, destabilisiert es die ganze Gesellschaft.
Ein Tatort stellt Handlungsmuster vor, bietet Identifikations-Figuren an, konnte mal als Straßenfeger “dienen”, Gemeinschaft stiften: Die Fernsehnation als “Tatort-Familie”.
Das ist vorbei.
Wenn die Fernsehnation beginnt, die Märchen und Mythen der “Unterhaltungsindustrie” zu hinterfragen, statt sich in die Position “Das ist halt so. Schön, dass es noch die Guten gibt, die etwas tun” zurückzuzieheen: Dann bleiben nur noch die reinen Kunstfiguren.
Schon seit Tagen sitzt Tatort-Pathologe Prof. Dr. Dr. Karl-Friedrich Boerne, der seinen Schauspieler mittlerweile offensichtlich komplett verinnerlicht hat, in sämtlichen Talkshows herum und charmiert sich ölig erfolgreich in die Herzen aller Maßnahmenkritiker.
Sind wir jetzt nicht an dem Punkt, zwischen Eigen- und Fremdverantwortung zusätzliche Videos mit weiteren Schauspielern, Komikern und Zivilisten, Straßenreinigern und Bürgermeistern unter dem Stichwort #allesdurchmachen koordiniert zu veröffentlichen?