Karen Horney – „Erinnerungskultur | #femaleheritage“

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Bei der Einladung zur Blogparade  „Frauen und Erinnerungskultur | #femaleheritage“ geht es um Erinnerungskultur.

Im Zentrum: “Autorinnen, Künstlerinnen, Wissenschaftlerinnen [und ihre vielfältigen Netzwerke] …, die Frauen in die Kulturgeschichte der Stadt zurückschreiben”.

Den “weiblich geprägten Perspektiven, Texten und Themen” wie deren kultureller Bedeutung, dem “weiblichen Vermächtnis” den würdigen Platz in der Erinnerungskultur einzuräumen, ist somit das Anliegen der Blogparade, von der ich kürzlich über einen Tweet von Tanja Praske erfahren hatte; 2017 gab es nämlich in Kooperation mit ihr die Blogparade  #KultBlick, an der ich teilgenommen hatte

Mit der aktuellen Blog-Fragestellung zum kulturellem Erbe, das wir Frauen verdanken, war es auch nicht einfach, eine Antwort, das richtige Beispiel zu finden, doch hatte ich kürzlich bei der ARD-Audiothek einen Podcast kopiert und angehört, auf den ich ohnehin noch einmal eingehen wollte:

Clever Girls – rebellisch, feministisch, wegweisend
Karen Horney – Freud hatte keine Ahnung von Frauen

Karen Horney äußert früh Kritik an Freuds Theorien, zum Beispiel am „Penisneid“, der die Frau als defizitäres Wesen darstellt. Horney setzt eine eigene Theorie dagegen und betont die gelungene Identifikation mit der Mutter als Basis für die Entwicklung des weiblichen Selbst. Diese Vorstellung hat weitreichende Folgen: Dank Horney gibt es eine positive Beschreibung der psychischen Entwicklung von Mädchen und Frauen. 1932 verlässt sie Berlin, wo sie praktiziert hat, in Richtung USA.

Den Podcast vom Radio Berlin/Brandenburg anzuhören kann sich lohnen: Immerhin finden wir hier den Hinweis Karen Horneys – nämlich den Gegensatz zum analytischen  Konstrukt “Penisneid”: Einen denkbaren männlichen “Gebärneid” – allerdings ganz bestimmt nicht im Wachbewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit.

Wenn im griechischen Mythos Gottvater Zeus den Dionysos-Fötus im Oberschenkel austrägt, ist das doch kaum erklärbar, es sei denn, man fasst unter “Gebärneid” ein vielfältiges Konfliktfeld (Ehestreit, Geschlechtsumwandlung, Vernichtung der Konkurrentin und versuchte Tötung eines Fötus) als Metamorphose – “Narzissmus“ -  zusammen.

Allerdings bleibt diese männliche Tendenz, der Wunsch, auch weibliche Eigenschaften leben zu wollen, wegen der biologischen Ausgeschlossenheit (“Noch nicht einmal stillen können diese Männer”) ein latenter Wunschtraum, aber kein Thema für den Alltag.  Gegenüber dem weiblichen Potential, das Leben der nächsten Generation auszutragen, wirkt der männliche Part schon mal zweitrangig.

Nützlich ist der Verweis auf eine Biographie, wie auch ein Leserinnenkommentar hierzu, der zusammenfassend zu Horneys Werk anmerkt:

“… hat … was sehr Gutes hinterlassen. Vor allem finde ich ihre Gedanken und Überlegungen zum Thema “Frau-und-Arbeit”  bemerkenswert:

Gibt es genug Arbeit für alle, sind Frauen automatisch Teil davon. Wird die Arbeit knapp, werden Frauen plötzlich wie Fabelwesen mit zerbrechlichen Eigenschaften gesehen und solange so behandelt, bis sie selbst daran glauben. So verlieren Frauen jeglichen Ehrgeiz, etwas aus sich selber zu schaffen.
Damit bringt man sie dazu, aus eigenem Entschluß auf eine der wichtigsten Eigenschaften zu verzichten, die Menschen ein erfülltes Leben ermöglicht, das eigene Tun. Ich … [kann] … genau diese Haltung bei vielen unseren Zeitgenossinnen wieder beobachten. (Wie war das mit der Diskusion um die jungen Frauen, die nix anderes mehr im Sinn haben als dünn-sein, Party und Handy?)”.

Karen Horney hat ihr Augenmerk auf das soziale “Milieu” ihrer KlientInnen gelegt und wird in einem hervorragenden Umfeld verortet. So hat beim Deutschlandfunk Susanne Billig das Buch

Catherine Collin, Nigel Benson, Joannah Ginsburg, Voula Grand, Merrin Lazyan, Marcus Weeks: Das Psychologie-Buch – Wichtige Theorien einfach erklärt
Übersetzt von Dörte Fuchs und Jutta Orth
Verlag Dorling Kindersley, München 2012
352 Seiten, 24,95 Euro

besprochen; hier

… finden sich alle großen Felder der Psychologie wieder, Behaviourismus, Psychotherapie, kognitive Psychologie, Sozialpsychologie, Entwicklungspsychologie und Differentielle Psychologie. Die einzelnen Kapitel widmen sich prominenten Protagonisten – und alle finden sie hier Platz: Iwan Pawlow mit seinen speichelnden Hunden. Konrad Lorenz, Pionier der Verhaltensforschung.

Karen Horney, die sich mit der Tyrannei „toxischer sozialer Umwelten“ befasste. Ronald D. Laing, Antipsychiatrie-Revoluzzer. Martin Seligman, Wegbereiter der Positiven Psychologie. Raymond Cattell mit seiner fluiden und kristallinen Intelligenz – um nur wenige von über einhundert Richtungen herauszugreifen.

Als Beispiel, was mit “Psychologie” so alles zu beheben ist, wird gerne die Spinnenphobie genommen, und wir haben nach der obigen Aufzählung die freie Wahl; aber bitte jeweils nur eine Methode aussuchen!

Die “Richtung”, bei der Karen Horney eingeordnet wird, heißt übrigens “Neopsychoanalyse”, und solche Bücher zu lesen, manchmal “Bibliotherapie”, immer ohne Gelinggarantie, die es ja auch nicht bei der von Horney ins Spiel gebrachten Selbstanalyse gibt.

Deshalb hier zwei Leseproben, die immerhin andeuten, worauf man sich bei dieser Lektüre einließe:

  • [The neurotic] feels caught in a cellar with many doors, and whichever door he opens leads only into new darkness. And all the time he knows that others are walking outside in sunshine. I do not believe that one can understand any severe neurosis without recognizing the paralyzing hopelessness which it contains. … It may be difficult then to see that behind all the odd vanities, demands, hostilities, there is a human being who suffers, who feels forever excluded from all that makes life desirable, who knows that even if he gets what he wants he cannot enjoy it. When one recognizes the existence of all this hopelessness it should not be difficult to understand what appears to be an excessive aggressiveness or even meanness, unexplainable by the particular situation. A person so shut out from every possibility of happiness would have to be a veritable angel if he did not feel hatred toward a world he cannot belong to.
    • The Neurotic Personality of Our Time (1937), pp. 227–228
  • Taking again as an example the need to appear perfect, I would be interested primarily in understanding what this trend accomplishes for the individual (eliminating conflicts with others and making him feel superior to others), and also what consequences the trend has on his character and his life. The latter investigation would make it possible to understand, for example, how such a person anxiously conforms with expectations and standards to the extent of becoming a mere automaton, and yet subversively defies them; how this double play results in listlessness and inertia; how he is proud of his apparent independence, yet actually is entirely dependent on the expectations and opinions of others; how he is terrified lest anyone should discover the flimsiness of his moral strivings and the duplicity which has pervaded his life; how this in turn has made him seclusive and hypersensitive to criticism.
    • New Ways in Psychoanalysis (1939) pp. 281

 

Leichter zu übersetzen ist ein kürzeres Zitat:

“Concern should drive us into action, not into a depression.”

― Karen Horney

Für den Fall berechtigter Sorgen um Umwelt und globale Gesundheit, also heutzutage, finde ich, dass dies doch eine Perspektive darstellt:

 

- und für weitere Studien noch ein Link, der gegebenenfalls auch im Neuen literarischen Mitmach-Quartett geöffnet wird:

 

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