Anlass für diesen Artikel: ein Tweet:
Narcissism is the essence of all severe psychic pathology. ~Erich Fromm
Das Zitat findet sich in “Wege aus einer kranken Gesellschaft”, aus den 50-er Jahren. Ein Text, der vielleicht noch aktuell ist – gesünder wird die Gesellschaft ja nicht.
Eine Rezension hier:
http://www.kritisches-netzwerk.de/forum/wege-aus-einer-kranken-gesellschaft
Darin finden wir den Satz über den Narzissmus allerdings nicht. Nur ein Abschnitt beinhaltet das N.-Wort:
Was heute nottut, ist die theoretisch-praktische Bündelung dieser großen Veränderungssehnsucht durch konstruktiv systemische Kritik der Megamaschine in Theorie und Praxis, wie sie die 68-er Bewegung schuldig blieb, die ja wesentlich durch Fromms früheren Kollegen vom Frankfurter Institut für Sozialforschung ausgelöst wurde. Konstruktive Revolution muß der Inhalt der heutigen Aufklärungsbewegung sein. Vom Einzelnen als solchen sind dabei (als notwendige, nicht hinreichende Bedingung der Veränderung) vor allem zwei Haltungen des alles entscheidenden Übergangs vom Einzelnen zur Allgemeinheit gefordert:
- Non-Konformismus, Nicht-Opportunismus – das ist der Gegensatz zum Marketing-Charakter -
- und Vergessen des kleinen Ich um der großen gemeinsamen Sache willen. Das ist der Gegensatz zur narzißtischen Charakter-Orientierung.
Nun, das ist ein Vokabular, das heute niemand mehr verwendet. Der zweite Punkt aber hat es in sich:
Einfach so geht das ja nicht.
Das hinterhältige an der “narzisstischen Phase” ist ja, dass man, darin befangen, gar nicht mehrkt, wie man am eigenen Narzissmus leidet, sondern “die Anderen” als schlimm und unvollkommen wahrnimmt.
“Sie liebt mich nicht genug, interessiert sich nicht genug für mich, ist oberflächlich”, glaubte ein Kollege von seiner neuen Freundin.
“Dann hat sie noch gemeint, ich hätte ja selbst gesagt, wir passten nicht zusammen”.
Dem Kollegen klarzumachen, was an seinem Denken narzisstisch, selbstbezogen ist, geht nur über den “Umweg”, ihm die Dialektik Echo-Narziss zu erläutern: Sie gibt nur wieder, was Narziss als letztes gesagt hat, eine eigene Stimme fehlt Echo.
Weil er in seinem grenzenlosen Verlangen, erkannt und geliebt zu werden, leer auszugehen meint, wird sie in seinen Augen oberflächlich.
“Was ist wichtiger: Dass ein Brunnen tief ist, oder das das Wasser im Brunnen klar ist?”
Diese Frage konnte er nicht beantworten. Er hat sie erst gar nicht gehört.