Frau Shavan und das kleine Märchen von der Trieblehre

| 1 Kommentar

Dual wird – glaube ich – FREUDs Triebkonzept auch genannt: Wenn es Libido und Destrudo gibt, die mal miteinander spielen, mal sich legieren und mal auseinanderfallen.

Katastrophale Folgen entstehen, wenn die Legierung der beiden Triebanteile zerfällt, wenn sie sich ‘entmischen’ und die positive Kraft die negative nicht mehr zu ‘binden’ vermag. Diesen Sachverhalt demonstriert der Triebmörder. Die seeli- [Seite 49] schen Komponenten fallen auseinander, so daß Liebesgenuß und Mordimpuls gleichermaßen, aber isoliert zum Zuge kommen.

[Seite 49, Z. 09-22]

so stehts bei Stader 1970, Ernst Stadter, Psychoanalyse und Gewissen. Von der “Stimme Gottes” zum “Über-Ich”, W. Kohlhammer, Stuttgart [u.a.] 1970.

Klingt doch irgendwie unwahrscheinlich. Liebesgenuss beim Triebtäter – beim Triebmörder, genauer gesagt: Wie will man sich das eigentlich vorstellen? Doch wohl eher so, dass die Theorie hier nicht mehr passt, der Bogen überspannt ist.

Frau Schavan aber hat das nicht hinterfragt, sondern zitiert:

Katastrophale Folgen entstehen, wenn die Legierung der beiden Triebanteile zerfällt und die positive Kraft die negative nicht mehr binden kann. Dieser Sachverhalt wird am Beispiel des Triebmörders deutlich: Die seelischen Komponenten fallen auseinander, Liebesgenuß und Mordimpuls treten gleichermaßen, aber getrennt voneinander auf. (Quelle)

Ob  Liebesgenuss und Mordimpuls zum Zuge kommen oder auftreten, ihren Auftritt haben – “gleichermaßen aber getrennt”, weil gerade mal eben die Legierung auseinandergefallen ist: Ohnehin sind das nur Metaphern, die etwas beschreiben, was wir uns vielleicht vorstellen können, die aber keinen wissenschaftlich nachprüfbaren, sondern nur spekulativen Wert haben, Erklärungsversuche, die auch schon mal nachgebetet werden, bei denen man aber gar nicht wissen kann, ob, wer da so betet, überhaupt weiß, was gemeint ist.

Nun wendet der Organismus im Interesse der Selbsterhaltung den schädlichen Trieb nach außen ab, der dann als auf die Mitwelt gerichtete Destruktionsneigung erscheint. Da aber die Welt darauf wiederum mit Rache und Aggression antwortet, ist das Individuum erneut gefährdet und richtet den Triebimpuls wieder nach innen.

Dieses Trieb-Ping-Pong ist ohne Beispiel nicht so ganz zu vermitteln – vielleicht sind damit gerade Plagiat, Vorwurf, Gegenrede und so weiter gemeint – eine Gewissensfrage, mit der wir doch ganz entspannt umgehen sollten.

Zurück zum Märchen: Auf dem Weg von der “Stimme Gottes” zum “Über-Ich” liegen auch die Märchen. In der Gänsemagd wird die böse Magd gefragt, was mit so einer zu geschehen hätte, die sich so und so verhalten hat.  Was würde also die Ministerin selbst für die gerechte Plagiats-Strafe halten?  Mir ist das irgendwie unangenehm, das hier zu schreiben, ich finde ja, sie ist schon bestraft genug, unser Wissenschaftssystem auch – denn das lässt den Blösinn von der auseinanderfallenden Legierung weiter gelten, erwartet diese Passagen geradezu – diese Dünnbrettbohrerei.

Nachtrag:

Dass wir es bei der Delinquenz mit einem mangelhaft ausgebildeten oder krrumpierten Gewissen zu tun haben, mit nicht ausgeprägtem Schuldverständnis vielleicht auch, oder mit kollektiv verleugneter Schuld, macht die Sache nicht einfacher. Wer will, kann bei Twitter mal unter” shavanack” suchen…

Ein Kommentar

  1. Pingback: Der eigene Mythos | sketchnet

Hinterlasse eine Antwort

Pflichtfelder sind mit * markiert.

*