Vor langer, langer Zeit gab es einmal einen König, der für seine Weisheit berühmt war. Weisheit hatte er sich gewünscht:
Als Gott ihm die Gewährung eines Wunsches zusagte, da wünschte er sich Weisheit, um sein Volk gerecht regieren zu können, da er sich dieser Aufgabe noch nicht gewachsen fühlte. Gott gefiel, dass er sich nicht langes Leben, Reichtum oder Siege über seine Gegner gewünscht hatte, … (Quelle)
- durch göttliche Fügung war er weise geworden.
Der Mythos erklärt, woher die Weisheit zuverlässig kommt, und noch viel mehr:
- Weisheit ist ein wertvolles Gut
- sie ist selten
- Sie ist hell, und kann durch die Brechung des Lichts (~ der Sehgewohnheiten) zum Funkeln werden
- Weisheit und Klugheit liegen nah beisammen
- Erkenntnis fällt nicht vom Himmel, sondern muss gesucht, entdeckt werden, (wobei Weisheit die Voraussetzung ist?)
- Auch “guter Rat” (“guter Rat ist teuer”) muss erst gefunden werden, entspricht einer Entdeckung, einer “Neuheit”
- Weisheit, Rat und Hilfe gibt es nicht isoliert voneinander, sie gehen miteinander umher, bedingen einander
- Weisheit ist Einsicht (in die Notwendigkeit?)
- Weisheit und Macht liegen nah beisammen
Wenn die Weisheit selbst uns ihr Wesen in den Sprüchen Salomons erklärt, dann wohl deshalb, weil Salomon fähig war, ein salomonisches Urteil zu fällen, Recht zu erkennen, Recht zu sprechen. Genau genommen hat er einen Streit geschlichtet – manchmal scheint es beim Streit so zu sein, dass eine Partei im Recht ist, während die andere ihren Vorteil sucht, indem sie betrügen will.
Der israelitische König Salomo (Regierung 965-926 v.Chr.) hatte folgenden Fall zu entscheiden (Altes Testament 1. Könige 3, 16-28): Zwei Mütter, die in einem Hause wohnten, gebaren zur gleichen Zeit zwei Söhne. Das eine Kind starb nach kurzer Zeit. Die Mutter des lebenden Kindes behauptete, die andere Mutter habe heimlich das tote Kind mit dem ihrigen vertauscht und forderte es zurück. Salomo entschied, dass – weil Aussage gegen Aussage stand – das Kind mit dem Schwert geteilt und jeder Mutter eine Hälfte des Kindes gegeben werden solle. Als nun die eine Mutter den König anflehte, er möge der anderen das Kind lebendig geben, die andere jedoch auf der Teilung beharrte, wusste der König, dass jene die wahre Mutter war. (Quelle)
Diese allgemein bekannte Fabel – Berthold Brecht hat das Thema im “kaukasischen Kreidekreis” wieder aufgenommen – hat Rechtsprechung, Gerechtigkeit und mithin Strafe zum Thema. Die Mutter mit den unlauteren Absichten dürfen wir uns schon als durch ihre Entlarvung bestraft denken.
Es ist nicht unlogisch, die Sprüche Salomons als Lektionen aufzufassen, denn zur Erziehung und Bildung sind sie offensichtlich aufgeschrieben worden, ohne Überlieferung, wenn die Menschen immer wieder das Rad neu erfinden müssten, statt auf die Erfahrungen der Vorfahren zurückgreifen zu können, wären wir noch weit hinter der Steinzeit.
Belehrung
Worte sind Leben, Worte gestalten Leben, Lebensweisheiten können entscheidend für das Leben sein:
… achte auf meine Worte / und hör mir gut zu! 21 … Denn sie sind Leben für die, die sie finden, / und Gesundheit für den ganzen Leib.
Von alledem gibt es reichlich, doppelt und dreifach, vielleicht. Mit etwas Glück werden die richtigen Worte zum “Leuchtturm”, zum Wegweiser auf dem rechten Pfad…
Zum Beispiel eine Ernährungslehre in zwei Zeilen:
Besser nur Grünkost und Liebe dabei,
als der schönste Braten, übergossen mit Hass.
Oft (oder immer?) geht es in den Sprüchen um Polaritäten von Gut und Böse, richtig und falsch, hoch und tief. Allerdings: Schauen wir genau hin, sehen wir, wie die “Verdeutschung” auch den ursprünglichen Sinn verschieben kann.
Hochmut
Hochmut erniedrigt einen Menschen; / Ehre erlangt, wer nicht hoch von sich denkt.
Beim Hochmut wird aufgezeigt, dass die Strafe nicht auf sich warten lässt::
„Stolzer Mut kommt vor dem Fall.“
oder auch schlicht
„Hochmut kommt vor dem Fall.“
in der Bibel ist die Ablehnung des “Hochmuts” mehrfach belegt, so auch im Buch Jesus Sirach
- „Hochmut thut nimmer gut und kann nichts denn Arges daraus erwachsen.“
In der deutschen Sprache haben wir die Schwierigkeit, dass Hochmut und Stolz zwar nah beieinanderliegen, aber zu differenzieren sind. Wenn ein Kind stolz darauf ist, die ersten hundert Meter ohne Stützräder mit dem Fahrrad gefahren zu sein, ist das Freude über einen Lernerfolg und eine Leistung, aber kein Hochmut.
Wenn jemand erfolgreich auf einem Weg ist und denkt, das gehe ja wie auf Schienen – ist das Hochmut oder Stolz?
Hochmut lässt sich noch am ehesten durch die Hybris, einen unnahbaren, abweisenden “Stolz” eines Begehrten, der zwar die Bewunderung genießt, aber zu keiner Zuwendung “gewillt” (fähig) ist, illustrieren; diese Hybris war den Griechen noch so verhasst, dass die Rache durch Nemesis, die Göttin der Vergeltung, hier noch als selbstverständlich gedacht wurde.
Das klassische Beispiel ist hier wohl Narziss, der schöne, allseits begehrte Jüngling, dessen “spröde Zärtlichkeit” niemanden an ihn heranließ – damit wurde er ein Fall für Nemesis, deren Strafe – er musste so aussichtslos lieben, wie er geliebt wurde – dann doch recht grausam ausfiel.
Selbstbezogene Liebe, Selbstverliebtheit und Zurückweisung der Liebe sind zwar nicht tugendhaft, aber auch das Salomon-Lied von Berthold Brecht (Hier aus Mutter Courage) relativiert den Wert von
- Weisheit,
- Schönheit,
- Kühnheit,
- Redlichkeit,
- Selbstlosigkeiit und
- Gottesfurcht –
“Beneidenswert, wer frei davon!”
Das Salomon-Lied in der Dreigroschenoper:
Ohnehin stehen Moral, Redlichkeit und Selbstlosigkeit bei Brecht erst an zweiter Stelle, denn: “Erst kommt das Essen, dann kommt die Moral”.
Wer Tugenden einfordert, wo die Grundbedürfnisse nicht gestillt sind. entwickelt gewissermaßen einen eigenen Hochmut und “Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein”.
Dass, wer andere (hochmütig) zum Teufel wünscht, wahrscheinlich selbst bald Besuch von Nemesis bekommt, sei hier noch am Rande bemerkt.
Anderen die Redlichkeit abzusprechen fällt leicht:, wie es dabei um die Eigene steht, ist eine andere Frage:
„Das ist nicht zu verwundern“, sagte Goethe zu Eckermann, „solche Leute gehen im Irrtum fort, weil sie ihm ihre Existenz verdanken, sie müssten umlernen, und das wäre eine sehr unangenehme Sache.“
Der Prüfstein der kleinen oder besonderen Alltagsweisheiten sei: Guter Rat und Hilfe. Wer keine Einsicht bieten kann, sollte lieber schweigen – und Salomons Weisheiten sind nicht immer der Weisheit letzter Schluss.
Zum Schluss noch einmal Salomon:
Ein Geduldiger ist besser als ein Starker und wer sich selbst beherrscht, besser als einer, der Städte gewinnt.
33 Der Mensch wirft das Los; aber es fällt, wie der HERR will.